Enteignung: Ungebetene Gäste

Südwestliche Fassade, Badezimmerfenster
Südwestliche Fassade, Badezimmerfenster

Das nationalsozialistische Deutschland verlor keine Zeit, Einsteins Besitz an sich zu reißen. Zwischen April und Mai 1933 wurden seine Konten konfisziert, sein Segelboot beschlagnahmt und seine Wohnung geplündert. Weil die notarielle Urkunde zum Haus in Caputh auf den Namen seiner Stieftöchter ausgestellt war, blieb es zunächst verschont. Von Amerika aus baten die Einsteins einen befreundeten Rechtsanwalt, das Haus an ein jüdisches Kinderheim in der Nachbarschaft zu vermieten. Viele Familien schickten ihre Kinder nach Caputh in der Hoffnung, dass es durch seine Abgeschiedenheit einen sicheren Hafen vor dem wachsenden Antisemitismus in den Städten bieten würde. Das Kinderheim brauchte daher dringend zusätzliche Räumlichkeiten, und Einsteins Haus war eine von zehn privaten Wohnungen, die es in Caputh anmietete. Das erboste den Bürgermeister des Orts, der meinte, die Anwesenheit jüdischer Kinder in deutschen Haushalten verderbe die Empfindungen der anderen Jungen und Mädchen.

Nachdem Einstein die deutsche Staatsbürgerschaft 1934 offiziell aberkannt worden war (ironischerweise war es nach deutschem Recht illegal, dass er sie 1933 selbst schon aufgegeben hatte), lenkten die lokalen Behörden ihre Aufmerksamkeit auf sein Haus in Caputh. Der Potsdamer Polizeipräsident reichte eine Liste verdächtiger Aktivitäten ein, die angeblich dort stattgefunden haben sollen: Verbreitung pazifistischer Ideen, Versammlungen mit führenden Mitgliedern der KPD, regelmäßiges Kommen und Gehen unbekannter Personen und Gespräche hinter verschlossenen Türen. Die Gestapo verhörte sogar Einsteins Dienstmädchen Hertha Schiefelbein. Obwohl man starken Druck auf sie ausübte, blieb Hertha ihren früheren Arbeitgebern gegenüber absolut loyal. So weit sie wisse, haben nie Gespräche hinter verschlossener Tür stattgefunden (was stimmte) und Politik sei nie ein Thema gewesen (was nicht stimmte). Die Gestapo konnte keinerlei Beweise für staatsfeindliche Aktivitäten finden. Doch das änderte wenig. Dass Einstein ein Jude mit sozialistischen Neigungen war und die Angewohnheit hatte, gerade bei politischen Themen kein Blatt vor den Mund zu nehmen, war Grund genug.

Am 10. Januar 1935 wurde das Grundstück konfisziert und die jüdischen Kinder auf die Straße gesetzt. Danach wurde das Haus für 5.000 Reichsmark – weniger als ein Fünftel des Originalpreises – an die Gemeinde Caputh verkauft. Der Bürgermeister von Caputh wollte das Haus in ein Quartier für die Hitlerjugend umwandeln. Es gebe, wie er monierte, zu wenige Orte, an denen „nationalsozialistisches Ideengut gelehrt“ werden könne. Geldmangel verhinderte zwar die Umsetzung dieser Idee, doch bis Ende der dreißiger Jahre benutzten einige nationalsozialistische Jugendorganisationen das Haus gelegentlich. Während des Krieges wurden im Haus Kindergärtnerinnen ausgebildet, bevor im Laufe des Jahres 1944 eine Einheit deutscher Soldaten dort ihr Lager aufschlug. Vom 21. Dezember 1944 bis zum 19. März 1945 waren vierundvierzig Personen ausländischer Herkunft offiziell unter der Adresse des Hauses gemeldet, mitunter dreißig auf einmal. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich dabei um Zwangsarbeiter, die in Wirklichkeit in einem nahen Lager lebten und arbeiteten. Selbst noch kurz vor dem Untergang waren die örtlichen Beamten offenbar auf den Anschein bürokratischer Korrektheit bedacht.

Im Gegensatz zu Einsteins Berliner Wohnung und dem Geburtshaus in Ulm überstand das Haus in Caputh den Krieg ohne nennenswerte Schäden. Zwar fielen im Februar 1945 während eines alliierten Luftangriffs auf Potsdam mehrere verirrte Bomben auf Caputh, und eine von ihnen schlug sogar in weniger als hundert Metern Entfernung von Einsteinhaus ein, doch die Explosion hinterließ das Haus praktisch unversehrt. Nur vier Häuser entfernt verlor allerdings eine sechsköpfige Familie ihr Leben.